Häusliche Gewalt
Dieser Begriff bezeichnet alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder ökonomischer Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder in Partnerschaften vorkommen, unabhängig davon, ob die Tatperson denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte. (Istanbul-Konvention, Artikel 3 b). Siehe hierzu auch das Rad der Gewalt.
Die Betroffenen häuslicher Gewalt sind überwiegend weiblich und die Täter männlich. Es handelt sich nicht um ein individuelles, sondern um ein gesellschaftliches Problem, das auf ungleichen Machtverhältnissen zwischen Frauen und Männern beruht.
Mit Einführung des Gewaltschutzgesetzes. Seit 2002 gilt der Grundsatz „Wer schlägt, der geht“, d.h. die Tatperson häuslicher Gewalt kann von der Polizei aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden (in der Regel für 10 Tage).
Sexualisierte Gewalt
Der Begriff bezeichnet alle sexuellen Handlungen, die nicht einvernehmlich sind. Dies können unangenehme, anzügliche Blicke oder Worte sein oder Berührungen bis hin zu massiven Gewalthandlungen wie einer Vergewaltigung (meint das nicht einvernehmliche Eindringen mit einem Körperteil oder Gegenständen in Körperöffnung). Sexualisierte Gewalt kann überall stattfinden: in der Familie, in der Nachbarschaft, im Sportverein, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Netz oder im öffentlichen Raum.
Mit der Reform des Sexualstrafrechts 2016 auch bekannt unter dem Grundsatz „Nein heißt Nein!“ müssen Opfer sexualisierter Gewalt sich nicht mehr körperlich gewehrt haben damit die Tat vor Gericht anerkannt wird. Ein sexueller Übergriff ist bereits dann strafbar, wenn er gegen den erkennbaren Willen einer Person ausgeführt wird.
Zur Sicherung von Spuren sexueller Gewalt unabhängig von einer Strafanzeige gibt es das Angebot der Anonymen Spurensicherung.
Stalking
Laut polizeilicher Kriminalprävention handelt es sich dabei um wiederholte und beabsichtigte Belästigung und Verfolgung eines Menschen, so dass dessen psychische oder physische Unversehrtheit geschädigt oder bedroht wird.
Stalking kann in unterschiedlichen Formen auftreten z.B. durch Telefonanrufe, Nachrichten via E-Mail, Messenger-Dienste oder Briefe, das Ausfragen von Dritten, Beobachten, Auflauern, Nachlaufen, unerwünschte Geschenke, Waren oder Essenslieferungen, durch die Beschädigung von Eigentum bis hin zum Eindringen in die Wohnung.
Im Strafgesetzbuch wird Stalking als „Nachstellung“ bezeichnet. Seit der Reformierung des § 238 StGB „Nachstellung“ im Jahr 2017 kann die Polizei eingreifen, wenn die Handlungen des Stalkers objektiv dazu geeignet sind die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen.
Es gibt einige Verhaltensempfehlungen für Stalking-Fälle. Wichtig ist aber, dass in jedem Fall individuell betrachtet werden sollte, welche Handlungen sinnvoll für den Schutz der betroffenen Person wären.
- Bei akuter Bedrohung sollte die Polizei gerufen werden (110)
- Dem Stalker sollte einmalig und unmissverständlich mitgeteilt werden, dass keinen Kontakt gewünscht wird.
- Dabei sollte auf weitere Erklärungen verzichtet werden, da diese missverstanden werden könnten.
- Kontaktversuche sollten konsequent ignoriert werden. Jede Reaktion würde für den Stalker einen Erfolg darstellen.
Beim Amtsgericht kann eine Einstweilige Anordnung beantragt werden. Nach §1 des Gewaltschutzgesetzes kann dadurch eine Schutzanordnung (ein sog. Annäherungs- oder Kontaktverbot) erwirkt werden. Missachtet der Stalker/die Stalkerin diese macht er sich strafbar und muss mit Konsequenzen rechnen.
Genitalverstümmelung
Female Genital Mutilation/Cutting, kurz: FGM/C
Laut Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet der Begriff „Weibliche Genitalverstümmelung“ die teilweise oder vollständige Entfernung der äußeren weiblichen Genitalien oder andere Verletzungen der weiblichen Geschlechtsorgane ohne medizinische Indikation. Es handelt sich dabei um eine schwere Verletzung der Menschenrechte.
Die weibliche Genitalverstümmelung ist ein globales Phänomen. Laut UNICEF sind weltweit mindestens 200 Millionen Mädchen und Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. FGM/C ist nicht nur auf dem afrikanischen Kontinent verbreitet, sondern nimmt aufgrund von Migration auch in Europa zu. In Deutschland sind laut Schätzungen von Terre des femmes aktuell 103.947 Mädchen und Frauen (Stand 09/2022) von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Darüber hinaus sind 17.721 Mädchen akut gefährdet.
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – die sogenannte Istanbul-Konvention – ist der erste europäische Menschenrechtsvertrag, der das das Vorkommen von FGM/C in Europa anerkennt und als Straftatbestand behandelt. In Deutschland wurde weibliche Genitalverstümmelung 2013 als eigener Straftatbestand in das Strafgesetzbuch (§ 226 a StGB) aufgenommen und kann als schwere Körperverletzung mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden. Auch Eltern drohen u.a. bei Mitwirkung, Veranlassung, Unterstützung oder bei Unterlassung strafrechtliche Konsequenzen, wenn etwa Mädchen zur Genitalverstümmelung vorübergehend ins Ausland (Herkunftsland) gebracht werden.
Zwangsheirat
Zwangsheirat ist eine Menschenrechtsverletzung und nach deutschem Recht (§ 237 StGB) strafbar. D.h. Personen dürfen nicht durch psychischen Druck, Drohungen oder mit Gewalt dazu gezwungen werden eine Ehe einzugehen. Die Unterscheidung zur arrangierten Ehe, die legal ist und Traditionen entspricht, ist nicht immer einfach. Bis heute gibt es keine genauen Zahlen dazu wie viele Menschen davon in Deutschland betroffen sind. Laut unterschiedlichen Berichten sind überwiegend Menschen mit Migrationshintergrund im Alter zwischen 18 und 21 Jahren von Zwangsverheiratung bedroht und betroffen.
Zum Teil werden die Betroffenen von den Tätern unter einem Vorwand ins Ausland gelockt, um sie dort zu verheiraten und von ihrem gewohnten, sozialen Umfeld zu isolieren. Die Istanbul-Konvention wertet diesen Umstand als vorsätzliches Verhalten, das ebenfalls unter Strafe gestellt werden muss (Artikel 37 Abs. 2). Darüber hinaus fordert sie, dass Opfer einer Zwangsheirat, die ihren Aufenthaltsstatus in dem Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts verloren haben, diesen Status wiedererlangen können (Artikel 59 Abs. 4).
Digitale Gewalt
Expert*innen verstehen in der Regel unter digitaler Gewalt alle Formen von Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel und digitaler Medien (Handy, Apps, Internetanwendungen, Mails etc.) bedienen und/oder Gewalt, die im digitalen Raum, z.B. auf Online-Portalen oder sozialen Plattformen stattfindet. Digitale Gewalt soll ängstigen, herabsetzen, sozial isolieren und den Ruf schädigen. Sie wird durch die Möglichkeit, die Angriffe anonym und über unterschiedliche digitale Medien vorzubereiten, begünstigt. Digitale Gewalt findet aber nicht nur anonym, sondern auch im sozialen Nahraum statt. Als eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt ist sie häufig Teil von (Ex)Partnerschaftsgewalt, Stalking und Trennung und geht daher oft Hand in Hand mit analoger Gewalt. Digitale Gewalt kann zu jeder Tages- und Nachtzeit passieren, sie funktioniert unabhängig von einem Ort und lässt Betroffenen dadurch oftmals keinen Schutzraum. Eine Besonderheit dieser Gewaltform ist, dass selbst nach strafrechtlicher Verfolgung und Ahndung der Angriffe, bestimmte Daten wie Bilder und Videos noch weiterhin im Internet zu finden sind.
Finanzielle Gewalt
Machtgefälle in Beziehungen können aus unterschiedlichen Gründen entstehen. Im Gegensatz zur körperlichen Gewalt ist wirtschaftliche Gewalt eine weniger sichtbare und subtilere Form der Gewalt. Sie ist strukturell fest verankert in unserer Gesellschaft und beeinflusst insbesondere das Leben von Frauen. Rechtliche Regelungen wie Ehegattensplitting, ein Steuersystem, dass Alleinerziehende benachteiligt, aber auch tradierte Rollenbilder in puncto Berufswahl sowie eine zu Lasten von Frauen verteilte Pflege- und Sorgearbeit befördern die finanzielle Abhängigkeit von Frauen in Beziehungen sowie das Risiko einer späteren Altersarmut. In der Istanbul-Kovention wird diese Form der Gewalt ausdrücklich berücksichtigt. In Artikel 3 heißt es „Im Sinne dieses Übereinkommens wird der Begriff „Gewalt gegen Frauen“ als eine Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskriminerung der Frau verstanden und bezeichnet alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können“.
Psychische Gewalt
Im Gegensatz zur körperlichen Gewalt ist die psychische oder auch emotionale Gewalt nicht sichtbar und folglich auch schwieriger nachzuweisen. Sie erfolgt häufig über Worte und Blicke. Gemeint sind damit unterschiedliche Verhaltensweisen und Strategien, die das Opfer verunsichern, ängstigen und seelisch verletzen. Psychische Gewalt kann dazu führen, dass Betroffene sich zurückziehen, ihr Selbstwertgefühl stark geschwächt oder sie krank werden. Folgende Beispiele sind Formen psychischer Gewalt:
- wenn die Person isoliert wird indem ihr verboten wird die Wohnung oder das Haus zu verlassen oder mit Freunden und Bekannten zu sprechen
- wenn die Person immer wieder beleidigt und beschimpft wird und ihr täglich Vorwürfe gemacht werden
- wenn immer wieder die Wahrnehmung einer Person angezweifelt und behauptet wird Situationen und Gespräche seien ganz anders verlaufen als in der Realität (Gaslighting)
- wenn Kinder oder Freunde gegen die Person instrumentalisert und manipuliert werden durch Lügen etc.
- wenn die Person mit Drohungen eingeschüchtert wird
- wenn die Person ständig überwacht und kontrolliert wird
Femizid
Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen definiert Femizid als „von privaten und öffentlichen Akteuren begangene oder tolerierte Tötung von Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts“. Der Begriff bezieht sich u.a. auch auf den Mord an einer Frau infolge von Partnerschaftsgewalt. Die WHO spricht in diesem Zusammenhang von Intim-Femiziden. Hier steht der Begriff Femizid für die Tötung von Frauen durch Männer, denen sie nahestanden. Auch in Deutschland findet der Begriff Femizid vermehrt Einzug in die Auseinandersetzung um tödliche häusliche Gewalt. Denn eine Trennung oder Scheidung vom Partner stellt das größte Risiko dar, um Opfer eines Femizids zu werden. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Ex-Partner eine Frau in Deutschland zu töten – jeden dritten Tag schafft er es. Das Thema Femizide wurde insbesondere durch die lateinamerikanische Frauenbewegung unter dem Hashtag #niunamenos bekannt.